Beatles: Darum sind Fans bereit, Millionensummen für alte Beatles-Gitarren auszugeben - WELT (2024)

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Jeder ernsthafte Beatles-Fan kennt sie. Bevor die zwölfsaitige Gitarre von John Lennon vor mehr als 50 Jahren auf einem Dachboden in der englischen Provinz verschwand und dort vergessen wurde, hatte sie ein paar denkwürdige Auftritte. Das Instrument spielte eine Gastrolle im Beatles-Film „Help“ und kam mehrfach bei den Aufnahmen der gleichnamigen Langspielplatte zum Einsatz. George Harrison hat damit wenig später die Rhythmusgitarre für den Song „Norwegian Wood“ eingespielt, der auf dem Album „Rubber Soul“ erschien, einem Wendepunkt in der Karriere der Band. Das Modell mit der Bezeichnung „Hootenanny“ stammte aus dem Sortiment des fränkischen Instrumentenbauers Framus, Lennon hat es 1964 für knapp 50 britische Pfund gekauft. In den nächsten Tagen wird es seinen Besitzer wechseln, und es steht jetzt schon fest, dass der zukünftige Eigentümer dafür einen siebenstelligen Dollar-Betrag ausgeben muss.

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Die Hootenanny ist das Highlight einer zweitägigen Auktion unter dem Motto „Music Icons“, bei der am 29. und 30. Mai fast 1000 Gegenstände mit berühmten Vorbesitzern unter den Hammer kommen. Die gesammelten Objekte sind derzeit im „Hard Rock Café“ am New Yorker Times Square zu besichtigen, im Angebot sind eine ganze Reihe von Gitarren, die von Weltstars wie Dolly Parton, Bob Dylan oder Prince gespielt wurden, aber auch ein Fendi-Kleid von Amy Winehouse, eine dunkelgrüne Mütze von Angus Young, Bühnenoutfits von Michael Jackson und Tina Turner, eine handgeschriebene Setliste von Kurt Cobain und schwarze Boxstiefel eines japanischen Sportartikelherstellers, die Freddie Mercury bei Auftritten seiner Band Queen trug.

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Einen historischen Bezug zu John Lennon haben ein paar Gegenstände, die deutlich günstiger zu haben sind als die zwölfsaitige Gitarre, für die schon vorab eine Million Dollar geboten wurde – darunter das rosa Telefon, das er benutzte, als er sich 1969 mit Yoko Ono zum „Bed-in for Peace“ in ein Hotelbett in Toronto zurückzog, um gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren – aber auch ein handbemalter Eierbecher aus seinem Haus in Surrey, dessen Einstiegsgebot auf 100 Dollar angesetzt wurde.

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Das Geschäft mit Erinnerungsstücken aus der Geschichte der Popkultur hat sich zu einem lukrativen Nischenmarkt entwickelt. Besonders Gitarren, die von prominenten Musikern gespielt wurden, erzielen bei Auktionen immer wieder siebenstellige Erlöse. Den aktuellen Rekord hält die Martin D-18E aus dem Jahr 1959, mit der Kurt Cobain den epochalen Auftritt seiner Band Nirvana bei MTV Unplugged absolvierte. Sie ging im Sommer 2020 an den Inhaber eines Mikrofon-Herstellers aus Sydney – für etwas mehr als sechs Millionen US-Dollar.

Das Interesse an Objekten, die mit Superstars in Verbindung stehen, ist jedoch nicht auf Musikinstrumente beschränkt, sondern betrifft auch banale Alltagsgegenstände. Die löchrige Strickjacke, die Cobain bei seinem Unplugged-Gig trug, erlöste immerhin mehr als 70.000 Dollar, und bei einer Versteigerung des Nachlasses von Freddie Mercury veräußerte das Auktionshaus Sotheby’s den Bartkamm des Sängers für fast 200.000 Dollar.

Eine Grabstätte neben Marilyn Monroe

Hinter einem Großteil der einträglichsten Transaktionen popkulturell aufgeladener Objekte steht Julien’s Auctions, eine Firma mit drei Dutzend Mitarbeitern und Sitz in Los Angeles, die seit mehr als 20 Jahren auf den Verkauf von Rock’n’Roll-Memorabilia spezialisiert ist und damit immer wieder Schlagzeilen macht – zuletzt durch die Versteigerung einer Grabstätte zwischen Marilyn Monroe und Hugh Hefner auf dem Pierce Brothers Westwood Village Friedhof in Los Angeles für 195.000 Dollar.

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Fünf der zehn teuersten Gitarren wurden von Julien’s Auctions auf den Markt gebracht, zudem die teuersten Handschuhe (Michael Jacksons Glitzerhandschuhe, verkauft für 430.000 Dollar) und das teuerste Kleid (Marilyn Monroes Naked Dress, verkauft für 4,81 Millionen Dollar). Die Aufgabe des Auktionshauses, das nach eigenen Angaben eine Provision von zehn bis 20 Prozent auf jeden verkauften Gegenstand einbehält, besteht auch darin, die Herkunft der Objekte möglichst genau zu belegen und eine glaubwürdige Story zu liefern, um die Begehrlichkeit und damit den Marktwert zu erhöhen.

Wahre Bühnen-Göttinnen

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Taylor Swift bis Lady Gaga – den Diven von einst können sie nicht das Wasser reichen

Die Firma ist inzwischen so bekannt, dass immer wieder potenzielle Verkäufer auf die Inhaber Darren Julien und Martin Nolan zukommen, manche mit ganzen Sammlungen, andere mit Einzelstücken. Der Finder der zwölfsaitigen Gitarre von John Lennon kontaktierte die beiden Mittfünfziger, nachdem er das makellose Instrument beim Umzug seiner Eltern in einem stark beschädigten Gitarrenkoffer auf dem Dachboden entdeckt und geahnt hatte, dass es wertvoll sein könnte. Sein Vater hatte als Tourmanager für Peter & Gordon gearbeitet, einem Gesangsduo aus dem Umfeld des Beatles, das Mitte der 1960er einige Hits landen konnte und damals in den Besitz der Gitarre gelangt war.

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Die Verbindung war einleuchtend. Julien und Nolan, die sich gerade in London aufhielten, witterten eine Sensation und fuhren an einem nebligen Vormittag im März aufs Land, um das Objekt in Augenschein zu nehmen, wie Nolan bei einem Videocall erzählt. Da Geschichte der Fab Four bis ins kleinste Detail dokumentiert ist, konnten sie die Gitarre mithilfe der beiden Beatles-Historiker Andy Babiuk und Danny Bennett eindeutig identifizieren. „Jede Akustikgitarre ist ein Unikat“, sagt Darren Julien. „Deshalb besteht kein Zweifel an der Echtheit der Hootenanny. Die Maserung im Holz, der kreisförmige Ausschnitt im Klangkörper und das spezielle Schlagbrett stimmen komplett mit den historischen Fotos und Filmaufnahmen überein.“ Weil sie im Schaffen der Beatles eine signifikante Rolle spielte, erwartet Julien, dass die Gitarre teurer verkauft wird als John Lennons Gibson J160E, die 47 Jahre lang verschollen war und 2015 für rund 2,4 Millionen Dollar wegging.

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Julien ist ein alter Hase im Auktionsgeschäft, er begann seine Karriere mit Oldtimer-Versteigerungen in seiner Heimat Indiana. Nolan hat zuvor in der Finanzbranche gearbeitet. Seinen Durchbruch erlebte ihr Aktionshaus 2006, als die beiden eine Versteigerung des Hausrats von Cher organisierten und scheinbar triviale Objekte wie ein Wörterbuch mit handschriftlichen Notizen oder eine Lampe aus dem Panzer eines Gürteltiers in den Katalog aufnahmen, die die Sängerin von ihrem früheren Liebhaber Gene Simmons geschenkt bekommen hatte. Julien sieht Parallelen zwischen dem Handel mit klassischen Automobilen und der Jagd nach einmaligen Rockgitarren. „Da ist eine Menge Nostalgie im Spiel“, sagt er. „Viele unsere Kunden holen sich ein Stück ihrer Jugend zurück, indem sie durch die Anschaffung eine Verbindung zu ihren größten Helden aus der damaligen Zeit aufbauen.“

Warum Cher schon immer alles durfte

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Cher

Wie ist es, zu altern? „Es ist beschissen“

Das Geschäft mit den Erinnerungstücken erinnert zugleich an den Reliquienhandel im Mittelalter, da der immaterielle Wert der Objekte den materiellen um ein Vielfaches übersteigt: Als Kultgegenstände werden sie allein dadurch begehrenswert, dass sie eine gefühlte Nähe zu dem Idol herstellen, das sie einst in Händen hielt – fast so, als seien sie unwiderruflich vom Geist und vom Talent der Vorbesitzer durchdrungen. Einen besonderen Hang zum Aberglauben hätten die Musiker unter seinen Kunden, erklärt Julien: „Viele sind überzeugt, dass das Karma eines Gitarristen auf sein Instrument übergeht.“

Oft sind es erfolgreiche Unternehmer und Manager, die prestigeträchtige Erinnerungstücke horten wie Jagdtrophäen. Zu den profiliertesten Sammlern zählt der Geschäftsmann Jim Irsay, Inhaber der Indianapolis Colts. Zu seinen Beständen gehört unter anderem die Fender-Gitarre, die Kurt Cobain im Videoclip zu „Smells Like Teen Spirit“ verwendete, der Gürtel, den Muhammed Ali nach seinem Sieg über George Foreman beim „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa erhielt und die Manuskriptrolle, auf die Jack Kerouac die Rohfassung von „On the Road“ kritzelte. In einem Interview gab Irsay an, von einer „Entität in Dubai“ ein Angebot über 1,15 Milliarden Dollar für seine gesamte Kollektion erhalten zu haben, dass er jedoch abgelehnt habe.

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Julien und Nolan achten bei Ihren Auktionen allerdings darauf, dass nicht nur Millionäre zum Zuge kommen können, weshalb das Angebot mitunter etwas beliebig wirkt. Die beiden teilen die Auffassung, dass der Bedarf an Objekten mit prominenten Vorbesitzern noch längst nicht gedeckt ist. „Millennials kommen gerade erst in ein Alter, in dem sie sentimental werden und die finanziellen Ressourcen haben, über solche Investitionen nachzudenken“, erklärt Nolan. Er fügt hinzu: „Unser Lagerhaus in Los Angeles ist bis obenhin voll mit Zeug, das wir in den nächsten zwei bis drei Jahren noch auf den Markt bringen können.“

Eine ihrer nächsten großen Auktionen ist der Garderobe von Prinzessin Diana gewidmet. Zu den 50 Kleidungsstücken und Accessoires, die unter den Hammer kommen, zählt ein trägerloses Abendkleid ihres Lieblingsdesigners Murray Arbied, dessen Wert vorsichtig geschätzt bei 200.000 bis 400.000 Dollar liegt. Auch hier liefert das Auktionshaus die passende Story gleich mit: Diana trug das Kleid unter anderem im Dezember 1987 im Londoner Royal Opera House – bei einer Aufführung des Balletts „Cinderella“.

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